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Pressespiegel Jahrestagung 2006

Kultur und Geschichte im Blick. Arbeitsgemeinschaft Jüdische Sammlungen tagt in Köln

Mit 85 000 Bänden zur Geschichte des deutschsprachigen Judentums ist die Germania Judaica die größte Sammlung ihrer Art in ganz Europa. Derzeit befindet sich die Bibliothek, deren Bestandskatalog in Kürze auch online abrufbar sein wird, auf der dritten Etage der Zentralbibliothek am Neumarkt.

Nach dem Konzept der Gesellschaft zur Förderung eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur auf dem Rathausplatz ist allerdings vorgesehen, die einzigartige Sammlung in das geplante jüdische Museum zu integrieren. Das ehrgeizige Kölner Bau-Projekt wird ebenso wie die im Frühjahr 2007 anstehende Eröffnung des jüdischen Museums in München zu den Themen der 30. Jahrestagung der „Arbeitsgemeinschaft (AG) Jüdische Sammlungen“ gehören.

Gastgeber der Jubiläumsveranstaltung, die bis Freitag in Rathaus und beim Landschaftsverband Rheinland stattfindet, ist die Germania Judaica unter Vorsitz von Stadtbibliotheks-Direktor Dr. Horst Neißer in Zusammenar-beit mit dem LVR. Die Arbeitsgemeinschaft, 1976 auf Mitinitiative der Germania Judaica in Köln gegründet, ist ein Zusammenschluss von fast 100 Institutionen wie jüdischen Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken, Archiven und Forschungseinrichtungen. Ursprüngliches Ziel sei es gewesen, den Bau jüdischer Museen in Deutschland voranzutreiben, die es im Ausland in den 70er Jahren bereits gab, erläutert die Geschäftsführerin der Germania Judaica, Dr. Annette Haller. Die jährlichen Treffen dienten dem fachlichen Austausch, der Vernetzung der Einrichtungen und nicht zuletzt der Initialzündung neuer Projekte, die sich mit jüdischer Geschichte und Kultur beschäftigen.
Erwartet werden zu der Tagung, die zuletzt 1997 in Köln stattfand, rund 80 Teilnehmer aus Europa, Israel und den USA. Vorgesehen im Programm sind unter anderem Besichtigungen des Jüdischen Wohlfahrtszentrums in Ehrenfeld, der jüdischen Friedhöfe und der Judaica-Sammlung im Stadtmuseum. (KE)

Kölnische Rundschau 12.09.2006

«Der Unkenntnis über das Judentum abhelfen» 30 Jahre Vereinigung jüdischer Museen, Archive und Gedenkstätten
Von KNA-Redakteurin Viola van Melis

Köln (KNA) Bei den ersten Sitzungen waren allenfalls sechs bis zehn Leute. Spezialisten für die Geschichte des deutschen Judentums gab es 1976 nämlich kaum in der Bundesrepublik, erinnert sich Johannes Wachten. Drei Jahrzehnte später hat der stellvertretende Direktor des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main gut 80 Namen auf der Teilnehmerliste. So viele Institutionen sind auf der viertägigen Jubiläumstagung der «Arbeitsgemeinschaft jüdischer Sammlungen» vertreten, die am Dienstag in Köln begann: jüdische Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken, Archive und Forschungsinstitute aus ganz Deutschland, von denen es die wenigsten bei Gründung der AG vor 30 Jahren in Köln schdn gab.
«In der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte hat sich seither viel getan», bilanziert Wachten, dessen Haus am 9. November 1988 als erstes Jüdisches Museum der Bundesrepublik eröffnet wurde. 2001 folgte das Jüdische Museum Berlin, das nicht allein über den Holocaust, sondern die facettenreiche jüdische Kultur in Deutschland informieren will. Weitere Häuser entstanden im westfälischen Dorsten, im fränkischen Fürth und vielen kleineren Städten. In München eröffnet im März 2007 neben der neuen Hauptsynagoge ein Jüdisches Museum.
Wie viele solcher Ausstellungshäuser inzwischen bundesweit entstanden sind, kann Judaistin Annette Haller nicht sagen, die die Jahrestagung in diesem Jahr organisiert, «Einen einheitlichen Führer hat noch niemand erstellt», beklagt die Geschäftsführerin der Germania Judaica, der Kölner Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums, die mit 85.000 Titeln die größte in Europa ist. Auch die Gedenkstätten und Synagogen, die nun vielerorts für historische Präsentationen genutzt werden, hat noch niemand aufgelistet und gezählt. Haller und Wachten sehen das als Indiz dafür, dass nach wie vor «ein großer Nachholbedarf besteht».
Damit die Arbeit weitergeht, holt die AG sich Rat aus dem Ausland. In diesem Jahr berichten Mitarbeiter vom Leo Baeck Institute in New York, des Jüdischen Museums der Schweiz, des Instituts für Geschichte der Juden in Österreich und vom Ashkenaz House in Jerusalem über ihre jüngsten Arbeiten. Wichtigstes Ziel der Jahrestagungen, unterstreicht Haller, ist der Austausch über Projekte. Die Konferenzen stehen daher nicht unter einem bestimmten Thema, sondern wollen vor allem fachlichen Rat geben und Experten aus der jeweiligen Region ansprechen.
«Seit dem 40. Jahrestag der Reichspogromnacht 1978 haben die Menschen in vielen Städten und Dörfern begonnen, sich für die jüdische Geschichte ihrer Umgebung zu interessieren -wenn zum Beispiel bei Bauarbeiten eine Mikwe entdeckt wurde», berichtet der stellvertretende Museumsdirektor aus Frankfurt. Eine Mikwe ist ein rituelles jüdisches Tauchbad. Solche Initiativen gehen nach seiner Erfahrung selten von den Kommunen, sondern meist von Bürgern aus. Sie leisteten wertvolle Arbeit und bräuchten Unterstützung, ist Wachten überzeugt.
Ein Beispiel, das auf der Tagung präsentiert wird: Die ehemalige Synagoge in Titz-Rödingen nahe Aachen, 1841 erbaut. Nach dem Krieg diente sie 60 Jahre lang als schnöde Werkstatt. Nun wird sie zur Informationsstätte über jüdisches Leben auf dem Land umgewandelt – eine Facette des Judentums, die Historiker bislang wenig beachtet haben. Diese hätten sich auf das Leben in den Großstädten konzentriert, berichtet Wachten. Sein Fazit: «Die Forschung differenziert sich thematisch immer weiter aus. Das ist gut.» Schlecht hingegen sei, dass vielen Projekten die Mittel fehlten. Der Museumsdirektor mahnt: «Angesichts von 30 Prozent latentem Antisemitismus ist es wichtig, weiter über Geschichte und Kultur des deutschen Judentums zu informieren. Das dürfen Politiker bei der Finanzierung nicht vergessen.»

Katholische Nachrichten Agentur 12.09.2006

Hinweis: Fotos abrufbereit in der KNA-Bild-Datenbank unter
http://www.kna-bild.de, Suchbegriff: «Jüdische Gedenkstätten».
vvm/bu c

Kreative Tauschbörse. Jahrestagung der AG „Jüdische Sammlungen“ in Köln
von Constantin Graf von Hoensbroech
Die bevorstehende Eröffnung des Jüdischen Museums in München im März war ein Schwerpunkt der diesjährigen Beratungen der „Arbeitsgemeinschaft Jüdische Sammlungen“ in Köln. Vertreter bestehender Häuser wie Frankfurt am Main, Dursten oder Wuppertal gaben vor den rund 80 Vertretern des losen Zusammenschlusses einen Abriß ihrer Arbeit seit dem letzten Treffen vor einem Jahr. Zudem führten Exkursionen die Tagungsgäste zu jüdischen Firiedhöfen in Köln, durch die Sammlung Judaica in der Stadtbibliothek, entlang der baulichen Reste des ehemaligen mittelalterlichen Judenviertels sowie in das Wohlfahrtszentrum der Synagogen-Gemeinde. Vor 30 Jahren wurde die Arbeitsgemeinschaft in Köln gegründet, auch weil es bis dahin in Deutschland keine größe-ren jüdischen Museen gab. Daß sich das bis heute grundlegend geändert hat, ?ist auch ein wesentlicher Beitrag dieser Arbeitsgemeinschaft?, betont Monika Grübel vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) und fügt hinzu: „So ist entscheidend das öffentliche Interesse und die Sensibilität im Umgang mit Zeugnissen jüdischen Lebens befördert worden.“ Die Errichtung er Jüdischen Museen in Frankfurt und Fürth Anfangder 90er Jahre sei vor allem auf den Einsatz der Arbeitsgemeinschaft zurückzuführen. Vertreter von Instituten und Forschungseinrichtungen, Archiven, Sammlungen, Museen, Gedenk- und Begegnungsstätten, Bibliotheken, Initiativen und Projekten treffen sich regelmäßig in dieser kreativen Austauschbörse. Daß die Jubiläumsveranstaltung der inzwischen auch international vernetzten AG drei Jahrzehnte nach ihrer Gründung wieder in Köln stattfand, ist in zweifacher Hinsicht bedeutend. Zum einen beherbergt die Domstadt mit rund 85.000 Bänden die europaweit umfangreichste Judaica-Sammlung. „Sie ist Keimzelle und Basis für die Kommunikation und die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft“, sagt Judaica-Leiterin Annette Haller. Zum anderen spielte bei der dreitägigen Zusammenkunft auch das von Kölner Bürgern betriebene Projekt zur Errichtung eines Hauses und Museums der Jüdischen Kultur auf dem Kölner Rathausvorplatz eine Rolle.